Erdbeben-Aufbauhilfe durch "Nepalhilfe Kirtipur e.V."

Impressionen der Reise in das Erdbebengebiet

 

Reise-Impressionen sind im allgemeinen dazu geeignet, Träume schöner Reiseziele zu erzeugen und auch den Wunsch, die beschriebenen Orte alsbald selbst zu besuchen. Wer jedoch auf den folgenden Seiten touristische Impressionen erwartet, wird enttäuscht werden.

Bei der Reise, die ich gemeinsam mit meinem Freund Klaus Busch im September/Oktober unternommen habe, war uns von Anfang an klar, dass wir einen anstrengenden "Arbeitsbesuch" vor uns hatten. Anstrengend wegen der vielen Koordinierungsaufgaben, die wir uns vorgenommen hatten, aber am Ende vor allem anstrengend wegen der bedrückenden Erfahrungen, die wir beim Anblick des vom Erdbeben geschundenen Landes machen mussten. Auch 5 Monate nach dem Beben war nicht abzusehen, wann und vor allem wie die Menschen in den Dörfern je mit den unübersehbaren Folgen der Katastrophe fertig werden können. Der folgende Teil soll über den Zustand der Dörfer in und um die Großgemeinde Kirtipur berichten.

 

Indiens Handelsblockade gegen Nepal:

Nicht nur aus Zeitgründen war es für uns nahezu unmöglich touristische Ziele anzusteuern, sondern aus dem ganz simplen Grund, dass bereits kurz nach unserer Ankunft kaum noch öffentliche Verkehrsmittel im Kathmandutal zur Verfügung standen. Die indische Regierung hat Ende September eine Brennstoff- und Warenblockade gegen Nepal verhängt, um dessen Regierung zu zwingen, diverse Änderungen an der gerade mit 90% der Stimmen des Parlaments verabschiedeten neuen Verfassung im Sinne Indiens vorzunehmen. Mit aller Härte wurden sämtliche Grenzübergänge gesperrt und wo früher täglich 500 und mehr Tanklastwagen mit Benzin und Diesel die Grenze passierten, durften auf einmal nur maximal 10-15 Wagen durchfahren - ein Tropfen auf den heißen Stein für Nepal, das über keinerlei eigene Brennstoffquellen (Erdöl, Erdgas usw.) verfügt.

In den Ausbau von Wasserkraftwerken zur Gewinnung elektrischer Energie wird von nepalesischer Seite leider viel zu wenig investiert, weil sich die indische Regierung seit Jahren weigert, den potenziell überreichlich aus Wasserkraft erzeugbaren elektrischen Strom abzunehmen. So hält man das Nachbarland auf niedrigstem wirtschaftlichen (und für Indien vermutlich profitabelsten) Niveau und die Nepalesen müssen weiter 10-14stündige Stromausfälle täglich ertragen.

Die Blockade hatte schon nach wenigen Tagen verheerende Folgen für die Menschen in Nepal. Der folgende Leserbrief von Herrn Klaus Busch an den "Generalanzeiger Bonn" vom 16.11.2015 beschreibt die Situation im Oktober eindringlich.

Die Blockade wird seitdem unvermindert fortgesetzt. Nach wie vor streitet die indische Regierung ihre für jedermann sicht- und spürbare Blockade-Politik ab und verweist auf inner-nepalische Konflikte mit der Bevölkerungsgruppe der Madhesis, die überwiegend im Terai, entlang der indischen Grenze wohnen. Die Madhesis sind zum großen Teil indischer Abstammung und eine der wenigen politischen Gruppierungen im Land, die gegen die neue Verfassung gestimmt haben - eine "ideale" politische Konstellation für die indische Regierung, die Schuld für die Blockade von sich zu weisen und damit ihren Unmut u.a. über die Säkularisierung des ehemaligen religiösen Hindu-Staates Nepal zu verdecken.

Zur Zeit (Anfang Dezember 2015) leiden die Menschen in Nepal große Not. Mangels Gas zum Kochen können die Frauen das Essen nicht mehr in gewohnter Weise zubereiten. Sie sammeln Holz, um auf den in manchen Häusern noch vorhandenen, und jetzt reaktivierten archaischen Lehmöfen den Reis zu kochen. Die Lebensmittelpreise sind drastisch gestiegen und in der Folge natürlich auch die Preise für jegliche Art von Dienstleistungen und dringend benötigter Baumaterialien. Das wirkt sich natürlich auch auf unsere Hilfe zum Wiederaufbau der Häuser der von uns betreuten Familien aus . Ich denke deshalb zur Zeit (16.12.2015) darüber nach, unsere Erdbebenhilfe im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten um ein zusätzliches Ernährungsprogramm zu erweitern.

 

Die Schäden in den Dörfern (Wards) von Kirtipur

Wenn man am Flughafen Kathmandu ankommt und auf dem Weg zu seiner Unterkunft mit Bus oder Taxi die Stadt Richtung Westen passiert, könnte man sich auf den ersten Blick fragen, wo denn eigentlich das Erdbeben stattgefunden hat. Bei genauem Hinsehen sieht man dann vereinzelte eingestürzte Wohnhäuser, die man allerdings auch für normale Abbruch-Baustellen halten könnte. Spätestens beim Passieren der ersten historischen Tempel - bzw. dem, was davon übrig geblieben ist -, begreift man allmählich das Ausmaß der Zerstörungen

Kalmochan-Tempel, Tripureshwar, vor - und nach dem Erdbeben

In Panga, Kirtipur Municipality, sind die Schäden dramatisch und bestimmen auch noch 5 Monate nach dem Erdbeben das beschwerliche Leben. Mehr als 265 Häuser sind im Ortskern eingestürzt und meterhohe Schuttberge versperren vielerorts noch immer die Gassen.

 

Meterhohe Schuttberge in den Gassen, 5 Monate nach dem Beben

Gefährliche Wohnung

Das Haus ist innen kollabiert

Frauen-Arbeit??

Die Menschen hausen weiter in den zerstörten Häusern!!

Der Tempel ist ist halb im Schutt versunken, in der Monsunzeit hat sich die Natur in den Ruinen breit gemacht!

 

Im benachbarten Dorf Nagaon hat das Beben ganze Nachbarschaftsbezirke (toles) dem Erdboden gleich gemacht. Auch hier sieht man überwiegend Frauen, die mit bloßen Händen die noch brauchbaren Ziegel aus den Trümmern bergen. Nicht einen einzigen Bagger haben wir während unseres Aufenthaltes in Kirtipur entdeckt, mit dem die Aufräumarbeiten deutlich schneller vonstatten gehen könnten.

Trümmerwüste weit und breit. Von dem Haus steht nur noch eine Wand mit Tür und Garderobenhaken

Mitten in der Trümmerwüste blüht der Handel allmählich auf:  Ambulante Händlerin bietet Waschpulver an.

 

Im Dorf Chobar, wegen der nahen Steinbrüche Heimat vieler Steinmetze, Wohnort von 5 unserer Stipendiaten und auch Ort unserer Adinath Secondary School hat das Erdbeben viele der aus Felssteinen gebauten Häuser zerstört. Anders als bei den üblicherweise aus Ziegeln gebauten Häusern der Newar ist der Wiederaufbau dieser Häuser besonders schwierig.

 

Die Schäden in Dörfern außerhalb Kirtipurs

Wegen der von Indien initiierten Blockade konnten wir uns nur selten außerhalb Kirtipurs bewegen. Dennoch gelang uns ein Besuch der historischen Newar-Dörfer Bungamati und Khokana, etwa einen zweistündigen Fußweg von Kirtipur entfernt, noch zu Beginn unseres Aufenthaltes. Der seit dem 7. Jahrhundert A.D. erwähnte Ort Bungamati , ist der Sitz des Gottes Machhendranath, der als Beschützer des Tales betrachtet wird. Jeweils abwechselnd 6 Monate im Jahr "residiert" die Gottheit in Bungamati und im angrenzenden Patan (Lalitpur) in prächtigen Tempel und die Prozessionen, mit denen sie hin- und zurückgebracht wird, gehören zu den bedeutendsten jährlichen Zeremonien im Kathmandutal.

Der Anblick des jetzt zerstörten, sehr bedeutenden, aber vom Tourismus nicht besonders beachteten Tempels stimmt einfach nur traurig und es stellt sich die Frage, ob und wann es jemals gelingen wird, dieses Kulturdenkmal wieder aufzubauen.

Rato Machendranath-Tempel Bungamati - Fotos vom gleichen Standort März 2015 (li.) und Oktober 2015 (re.)

Überall in Bungamati und Khokana schlimme Zerstörungen und die Menschen leben in primitiven Hütten

Ganze Reihen wunderschöner alter Newar-Häuser in traditioneller Architektur gleichen jetzt dem Bild deutscher Großstädte nach den Luftangriffen am Ende des 2. Weltkrieges. Auch das Haus der "lebenden Kind-Göttin Kumari" von Bungamati ist zerstört. Ihr Thron ist jetzt provisorisch untergebracht und wir treffen das kleine Mädchen zufällig, als sie von ihrem Vater mit dem Motorrad von der Schule abgeholt wurde.

Die Göttin Kumari ist wichtiger Teil der Newar-Kultur. Im Kathmandutal gibt es insgesamt 8 auserwählte Kumaris: Royal Kumari von Kathmandu, Kumari Bahal Durbar Square, Kumari von Bhaktapur, Kumari von Patan / Lalitpur, Kumari von Bungamati, Kumari vom Distrikt Kilagar Kumari von Kwa Bahal, Kumari von Sankhu und die Kumari von Tokha

 

Die Notunterkünfte der Familien in Kirtipur

 

Schäden an Zentralen Plätzen, Weltkulturerbe

 

 

 

 

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